„Frei von"-Lebensmittel für Gesunde keine gute Wahl: Sorgfältige Diagnose von Unverträglichkeit unabdingbar

Die Society of Nutrition and Food Science (SNFS) mit Sitz an der Universität Hohenheim beleuchtete im Oktober 2019 in einer Dialog-Veranstaltung in Bonn das Thema Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Vor dem Hintergrund, dass gefühlt die Zahl der Menschen mit Lebensmittelunverträglichkeiten und -allergien zunimmt einerseits und dass „Frei-von“-Lebensmittel aus Sicht einer zunehmenden Zahl von Verbrauchern sinnvoll und gesund seien andererseits. Ein aktuelles Spannungsfeld. Nach einer älteren Erhebung (BMEL Ernährungsreport 2016) meiden 12 Prozent der Bevölkerung Laktose, Fruktose und/oder Gluten; bei den 19- bis 29-Jährigen sind es 19 Prozent.

Für Menschen mit echten Unverträglichkeiten und Allergien gegen Nahrungsmittel seien „Frei-von“-Lebensmittel ein Segen, doch für alle anderen nur selten die bessere Wahl. Wer Lebensmittel mit wertvollen Nährstoffen ohne medizinischen Grund einfach weglasse, verzichte auch auf deren gesundheitlichen Nutzen, warnen die Wissenschaftler der SNFS. Zudem hätten in den vergangenen Jahren Nahrungsmittelunverträglichkeiten nicht zugenommen. Nur etwa zwei bis fünf Prozent der Bevölkerung in Deutschland habe eine nachgewiesene Allergie gegen bestimmte Nahrungsmittel oder -inhaltsstoffe, wie zum Beispiel Zöliakie, also Glutenunverträglichkeit.

Wichtig hierbei: Eine sinnvolle Diät setzt stets eine sorgfältige Diagnose voraus. Was das betrifft, „so sind in Europa erhebliche Fortschritte bei der Diagnostik und im Umgang mit Nahrungsmittelallergien erzielt worden“, erläuterte Professor Jörg Kleine-Tebbe vom Allergie- und Asthmazentrum Westend in Berlin in seinem Vortrag. „Leider werden hierzulande untaugliche Methoden bei Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten angeboten, die zur Verwirrung und unberechtigten Diäten bei den Betroffenen beitragen“, warnt der Wissenschaftler.

Was häufig zu kurz kommt, sind die psychologischen Aspekte bei einer echten Nahrungsmittelallergie. „Je nach Schweregrad ist die emotionale und soziale Belastung gerade bei erkrankten Kindern und deren Angehörigen – insbesondere der Mutter – sehr hoch“, betont Professor Nanette Ströbele-Benschop vom Institut für Ernährungsmedizin an der Universität Hohenheim. Sie plädiert dafür, gerade auch die psychologischen und sozialen Aspekte stärker in den Fokus zu rücken.

Es bleibt das Problem, dass manche Lebensmittel vielen Menschen ohne echte Stoffwechselstörung Beschwerden verursachen. Für sie hat Professor Jan Frank, Ernährungswissenschaftler an der Universität Hohenheim und Vorsitzender der SNFS den Rat: „Wer das Gefühl hat, bestimmte Nahrungsmittel nicht gut zu vertragen, sollte diese reduzieren, aber sie im Sinne einer ausgewogenen, vielfältigen Ernährung nicht komplett weglassen.“ Mit diesem Kompromiss könne man gefahrlos ausprobieren, was einem gut bekommt. (BZfE) 

 

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