Was oder wer macht eigentlich Lebensmittel zu „Superfood“? Diese Frage beantwortete Ernährungswissenschaftlerin Julia Sausmikat von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen bei einer Superfoods-Fachkonferenz des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) und des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in Berlin. Das Angebot pflanzlicher Produkte in diesem Gesundheitsmarkt ist vielfältig: Dazu gehören Superfruits wie Acai- und Gojibeeren oder Supergreens aus Algen, als Grüntee-Pulver („Matcha“) oder Brokkoli. Zu den Superseeds zählen beispielsweise Chia-, Hanf- oder Leinsamen, als „Supergrains“ werden Pseudogetreide (Quinoa, Amarant) oder die Körner von Hirsearten (z. B. Teff, Fonio) bezeichnet.
Entwicklungen in Lebensmittelproduktion und Verarbeitungstechnik haben diese neue Produktvielfalt möglich gemacht. So stammen Spirulina-Algen heute vielfach aus Aquakultur, exotische Beerenfrüchte kommen gefriergetrocknet als Pulver oder Pürees in den globalen Handel. Saaten und Samen dienen als Zutat in Backwaren oder Müslimischungen, Quinoa- oder Amarantmehle werden hochpreisig in arzneiähnlichen Kapseln zur Nahrungsergänzung verkauft. Und im Getränkebereich sind Pulver oder Konzentrate aus Aroniabeeren, Ingwer, Hagebutten oder Gerstengras für Smoothies und „Supershots“ im Angebot.
Parallel haben sozialgesellschaftliche Strömungen neue Marktdimensionen erschlossen – zumal Superfoods gut zu verwandten Trends wie „Clean Eating“ und veganen, pflanzen- oder rohkostbetonten Ernährungsformen passen. Superfoods seien die Antwort auf heutige Herausforderungen in Sachen Lifestyle, so Sausmikat Sie versprechen Selbstoptimierung für mehr Leistung und Erfolg oder können die eigene Identität und ethische Anliegen zum Ausdruck bringen. Dabei spielen Internet und Influencing eine wichtige Rolle. Sie idealisieren sogenannte „primitive“ Ernährungskulturen oder Utopien als Antwort auf gefühlte Krisen globaler Gesundheits- und Agrifood-Systeme. „Viele der exotischen Superfoods sind in ihren Ursprungsländern als Lebensmittel für die Nährstoffversorgung der dortigen Bevölkerung von Bedeutung, aber hier bei uns besteht dafür kein Bedarf“, kritisierte die Lebensmittelexpertin mit Blick auf die Welternährung.
Insbesondere Marketing und Medien sind die Trendtreiber, die ein Lebensmittel als Superfood promoten – häufig mit Botschaften, deren Wahrheitsgehalt zweifelhaft ist, wie die Verbraucherschützerin an Beispielen deutlich machte: So werden in der Werbung manchen Superfoods heilende Wirkungen bei Krebs, Diabetes oder Demenz zugeschrieben bzw. Schönheit, Schlankheit und Anti-Aging versprochen. Das unkritische „Storytelling“ in den Sozialen Medien führe zusätzlich zu einem Effekt, den Sausmikat als „Superfoodisation“ bezeichnete. Dabei ist ein Missbrauch von Ernährungs- und Gesundheitsaussagen weit verbreitet, dem mit einem umfassenden Monitoring begegnet werden sollte – um wirtschaftliche wie gesundheitliche Nachteile für die Verbraucherinnen und Verbraucher abzuwenden. (BZfE)